DOKUMENT 9: Brief der Rigpa-Vorstände verschiedener Länder an die Sangha, 11. August 2017

DBU Diskurs   >   Thema: Sogyal Rinpoche: Fehlverhalten oder Vajrayana?

Am 11. August erklären mehrere Landesvorstände von Rigpa, die Verantwortung dafür zu übernehmen, die Situation auf bestmögliche Weise für alle Beteiligten zu lösen. Sie verpflichten sich, alle notwendigen Schritte einzuleiten und betonen ihre Zuversicht, dass die Rigpa-Sangha „aufrichtig, authentisch, offen, entschlossen und unerschrocken“ mit der Lage umgehen kann.

Liebe/r Sangha-Freund/in,
die letzten Wochen waren eine sehr schmerzliche und erschütternde Zeit für unsere gesamte Sangha. Die Vorwürfe, die Sogyal Rinpoche von Mitgliedern unserer eigenen Gemeinschaft gemacht wurden und die in den Medien und im Internet umfassend verbreitet wurden, sind für uns alle Anlass zu größter Besorgnis.
Inzwischen habt ihr alle den Brief von Sogyal Rinpoche erhalten, in dem er seinen offiziellen Rücktritt als Rigpas spiritueller Leiter erklärt. Seine Entscheidung, deren Ausmaß sich kaum in Worte fassen lässt, ist für viele von uns ein Schock. Rinpoche hat deutlich gemacht, dass er nach tiefer persönlicher Reflexion und aufgrund der Ratschläge vieler seiner Meister zu dieser Entscheidung gekommen ist, mit der besten Intention für die Zukunft unserer Gemeinschaft.
Für diejenigen unter uns, die verantwortungsvolle Stellungen innerhalb von Rigpa innehaben, ist und bleibt dies eine schwierige Zeit. Wir müssen nicht nur unseren eigenen Schock aufgrund der jetzigen Situation und unsere damit verbundenen Emotionen verarbeiten, wir anerkennen auch unsere unmittelbare Verantwortung, uns um so viele Menschen wie möglich zu kümmern und ihnen unsere Unterstützung anzubieten. In den letzten Wochen haben viele von uns unser Bestes getan, allen in unserer vielfältigen Gemeinschaft zuzuhören und über die weitreichenden Auswirkungen dieser Vorwürfe nachzudenken, sowie über Rinpoche’s Entscheidung, ins Retreat zu gehen und sich aus Rigpas Arbeit zurückzuziehen.
Bitte seid versichert, dass wir fest entschlossen sind, dieser schwierigen Situation verantwortungsbewusst ins Auge zu sehen, mit Feingefühl, Offenheit und Direktheit und auf eine Weise, die vollständig im Einklang mit den Lehren und den Werten steht, für die wir eintreten.
In seinem Brief hat Sogyal Rinpoche deutlich seinen Wunsch bekundet, die Verantwortung für Rigpas Zukunft an die Sangha zu übergeben. Es ist daher an uns, die Situation in die Hand zu nehmen und zu versuchen, sie auf bestmögliche Weise für alle Beteiligten zu lösen, auch für jene, die sich verletzt fühlen. Wir übernehmen diese Verantwortung und verpflichten uns, alle notwendigen Schritte einzuleiten. Auch wenn einige von uns niedergedrückt und traurig sein mögen, oder sich dünnhäutig und unsicher fühlen mögen, sind wir zuversichtlich, dass unsere Sangha in einer Zeit wie jetzt auf eine Art reagieren kann, die wahrhaft aufrichtig, authentisch, offen, entschlossen und unerschrocken ist.
Zu diesem Zweck, und nach sorgfältigen Erwägungen und Ratschlägen haben jene von uns, die für die Leitung und Geschäftsführung von Rigpa verantwortlich sind, einmütig beschlossen, folgende Schritte einzuleiten:

  1. Wir werden eine unabhängige Ermittlung bezüglich der Missbrauchsvorwürfe vornehmen, einschließlich derer, die im Brief vom 14. Juli 2017 an Sogyal Rinpoche aufgeführt wurden. Wir glauben, dass eine Überprüfung durch einen neutralen Dritten notwendig ist, um vollständig auf die angesprochenen Vorwürfe einzugehen und eine Basis zu schaffen, um das Vertrauen und die Zuversicht innerhalb der Rigpa-Sangha wieder herzustellen. Wir lassen uns professionell beraten, damit die Untersuchung auf internationaler Ebene stattfinden und auf die notwendigen Bedürfnisse eingegangen werden kann.
  2. Wir werden unverzüglich einen internationalen Beratungsprozess in Gang setzen, um einen Verhaltenskodex aufzustellen und eine Anlaufstelle einzurichten, bei der Menschen ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen können. Wir erkennen unsere volle Verantwortung an, allen, die zu Rigpa kommen, eine sichere und unterstützende Umgebung zu bieten, und glauben, dass diese Strategien ein wesentlicher Schritt in diese Richtung sein werden. Wir werden Beispiele bewährter Verfahren studieren und uns auf all unsere Erfahrung und Kenntnisse stützen sowie auf die Ratschläge anderer buddhistischer Lehrer und Gemeinschaften, um Richtlinien und Verfahren zu entwickeln, die für Rigpa angemessen sind. Da die Verhaltensrichtlinien vielfältig sein werden und in Zukunft ausnahmslos für alle gelten werden, für sämtliche Schüler, Angestellte, ehrenamtliche Helfer genauso wie für Lehrer, ist es wichtig, dass auch ihr gefragt werdet und die Möglichkeit habt, euer Feedback zu geben.
  3. Wir werden so schnell wie möglich ein neues spirituelles Gremium einrichten, um Rigpa zu leiten und zu beraten, wie Sogyal Rinpoche es in seinem Brief angedeutet hat.

Diese Schritte werden von den Direktoren und Management-Teams von Rigpa auf der ganzen Welt eingeleitet, im Geiste echter Zusammenarbeit. Es wurden auch bereits Anlaufstellen einrichten, damit jedes Sangha-Mitglied seine/ihre Wünsche, Sichtweisen und Anliegen zum Ausdruck bringen kann.
Wir stehen natürlich – sowohl von außerhalb als auch innerhalb unserer Gemeinschaft – unter großem Druck, schnell zu handeln. Natürlich anerkennen wir den Ernst und die Dringlichkeit der Lage vollständig, trotzdem ist es sehr wichtig, dass wir uns die angemessene Zeit nehmen, um uns von unseren Ratgebern professionell und spirituell beraten zu lassen und uns gründlich mit unseren weltweiten Direktoren, Angestellten und Sangha-Mitgliedern auszutauschen. Wir glauben fest daran, dass das Endergebnis für alle Betroffenen wesentlich befriedigender und vollständiger sein wird, wenn wir diesen Prozessen die nötige Zeit und Sorgfalt geben.
Die Verantwortung, unseren Weg durch diese schwierigen Zeiten hindurch zu finden, liegt jetzt bei uns – der Rigpa-Sangha. Bitte beteilige dich so gut, wie du nur kannst, so dass wir unserer Gemeinschaft und allen Betroffenen gemeinsam Frieden, Heilung und Lösungen bringen können. Lasst uns weiträumig und urteilsfrei sein, so dass wir einander wirklich zuhören können, mit unserem ganzen Wesen und mit Mitgefühl und Verständnis.
Wir haben das starke Gefühl, dass wir, wenn wir als Sangha offen und unterstützend bleiben und unseren Dharma-Wurzeln und der Praxis treu bleiben, stärker und weiser aus dieser Situation hervorgehen werden. Wir werden vielleicht feststellen, dass Rigpa durch diesen Lernprozess letztlich zu einem noch großartigeren Gefährt für die tiefgründigen Lehren und die Praxis des Dharma heranwächst. Das sollte unser Ziel sein.
Lasst uns bitte zusammenhalten – und unsere Kommunikation offenhalten und uns weiter austauschen.

Alles Liebe,
die Rigpa-Vorstände aus den folgenden Ländern:
(Anmerkung der BA-Redaktion: Derzeit liegt uns die genaue Aufstellung der Länder-Vorstände noch nicht vor; wir tragen dies nach)

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