DOKUMENT 12: Stellungnahme des Rates der DBU zu den Anschuldigungen gegen Sogyal Rinpoche

DBU Diskurs   >   Thema: Sogyal Rinpoche: Fehlverhalten oder Vajrayana?

Gegen Sogyal Lakar, besser bekannt als Sogyal Rinpoche, wurden in einem offenen Brief schwerwiegende Vorwürfe erhoben, u. a. wegen körperlicher Gewalt und sexuellen Missbrauchs in einer Vielzahl von Fällen und über Jahrzehnte hinweg. Darüber hinaus wird Sogyal Rinpoche ein verschwenderischer Lebensstil vorgeworfen, der mit den Spenden seiner Schülerinnen und Schüler finanziert wurde. Die Verfasser des offenen Briefes sind acht langjährige Schüler aus dem nächsten Umfeld von Sogyal Rinpoche, mehrere davon in leitenden Positionen von Rigpa, einer internationalen buddhistischen Gemeinschaft, die durch Sogyal Rinpoche begründet wurde.
Rigpa – Verein für tibetischen Buddhismus e.V. ist ordentliches Mitglied der DBU.
In Folge der Vorwürfe hat Sogyal Rinpoche inzwischen alle Ämter und Funktionen bei Rigpa niedergelegt, insbesondere auch als spiritueller Leiter der Organisation, und hat sich für unbestimmte Zeit ins Retreat begeben.
Rigpa Deutschland hat am 10. August in einer Pressemitteilung erklärt:
„Die Vorstände und Management-Teams von Rigpa überall auf der Welt nehmen diese Angelegenheit sehr ernst und sind entschlossen, die Situation verantwortungsvoll und auf eine Weise anzugehen/zu klären, die vollständig im Einklang mit den buddhistischen Werten steht.“
Insbesondere sollen die nachfolgenden Schritte eingeleitet werden:

  1. „Eine unabhängige Ermittlung durch einen neutralen Dritten bezüglich der verschiedenen Anschuldigungen, die vorgebracht wurden.
  2. Ingangsetzung eines internationalen Beratungsprozesses, um für Rigpa einen Verhaltenskodex aufzustellen und ein Beschwerdeverfahren einzurichten.
  3. Einrichtung eines neuen spirituellen Beratungsgremiums, das die Rigpa-Organisation leitet.“

Buddhismus aktuell, die Zeitschrift der Deutschen Buddhistischen Union, dokumentiert seit Bekanntwerden der Vorwürfe den aktuellen Sachstand zu diesen Vorwürfen auf ihrer Webseite.

Wir sind schockiert über Art und Umfang der schwerwiegenden Anschuldigungen die gegen Sogyal Rinpoche von langjährigen Schülerinnen und Schülern aus seinem nächsten Umfeld gemeinsam vorgebracht wurden. Sogyal Rinpoche ist weltweit einer der bekanntesten Vertreter des tibetischen Buddhismus und sollte daher in besonderer Weise ein positives Beispiel geben, für ein Verhalten in Übereinstimmung mit der buddhistischen Ethik.
Sollten sich die Anschuldigungen als richtig erweisen, dann hätte sich Sogyal Rinpoche vielfach in erschreckender Weise schuldig gemacht. Bisher wurden diese Anschuldigungen noch nicht in einem Gerichtsverfahren überprüft. Doch unabhängig von der noch ausstehenden gerichtlichen Überprüfung der Vorwürfe gegen Sogyal Rinpoche gilt klar und unmissverständlich: Sexueller Missbrauch, körperliche Gewalt sowie der Missbrauch von Spenden an die Drei Juwelen für einen verschwenderischen Lebensstil sind in keiner Weise mit den buddhistischen Lehren vereinbar.
In ihrem offenen Brief schildern die Verfasser und Verfasserinnen ihre innere Zerrissenheit zwischen dem tiefen Vertrauen und der Loyalität, die sie ihrem Lehrer Sogyal Rinpoche über viele Jahre entgegengebracht haben, und einem immer stärkeren Bewusstsein für sein verletzendes und missbräuchliches Verhalten, das sie immer weniger in Übereinstimmung mit den buddhistischen Lehren bringen konnten.
Aus unserer Sicht ist es erschreckend, wie lange sie nach ihrer Darstellung Handlungen, wie Demütigung, körperliche Gewalt und sexuellen Missbrauch, hingenommen und gerechtfertigt haben, obwohl sie diese nicht nur beobachtet, sondern teilweise auch selbst erfahren haben. Denn darin wird deutlich, wie tief verwurzelt und irreführend das falsche Verständnis der Beziehung zwischen Lehrer und Schülerinnen und Schüler war, wie es nach ihrer Aussage von Sogyal Rinpoche an sie vermittelt wurde.
Umso mehr anerkennen und begrüßen wir den Mut, schließlich gemeinsam Sogyal Rinpoche mit seinem Verhalten zu konfrontieren.
Durch den offenen Brief stehen nun jedoch Anschuldigungen gegen Sogyal Rinpoche wegen gravierender Vergehen im Raum, die nicht nur schwerwiegende Verstöße gegen die buddhistische Ethik darstellen, sondern die darüber hinaus in vielen Ländern auch als Straftaten einzuschätzen sind.
In Anbetracht der Tragweite der Anschuldigungen sollten diese nicht ungeprüft im Raum stehen bleiben. Die Verfasser des offenen Briefes sollten geeignete Rechtsmittel ergreifen, die zu einer gerichtlichen Beurteilung der Vorwürfe führen.
Seit dem Bekanntwerden der Vorwürfe steht der Vorstand der DBU in stetigem Kontakt mit der Leitung von Rigpa Deutschland.
Die Vorwürfe gegen Sogyal Rinpoche haben vor allem auch die vielen Mitglieder von Rigpa schockiert und das Vertrauen in ihren spirituellen Lehrer erschüttert.
Als Rat der DBU halten wir es daher für wichtig, dass die Mitglieder der buddhistischen Gemeinschaften in der DBU auf der Basis der Werte, die wir als buddhistisch Praktizierende in der DBU teilen, mit den Mitgliedern von Rigpa in einen intensiven und freundschaftlichen Austausch eintreten. Wir hoffen, dass sich die spirituelle Gemeinschaft in der DBU als wertvoll und hilfreich erweisen kann, um die aktuelle Situation tiefgreifender Verunsicherung zu überwinden und Rigpa als Gemeinschaft ernsthaft buddhistischer Praktizierender bei der notwendigen Aufarbeitung der Vorwürfe zu unterstützen.
Die Anschuldigungen gegen Sogyal Rinpoche und der dadurch ausgelöste Diskurs haben aber auch deutlich gemacht, dass es zahlreiche und ernst zu nehmende Missverständnisse bezüglich des Verhältnisses von buddhistischen Lehrern und Lehrerinnen zu ihren Schülerinnen und Schülern gibt.
Dieses Verhältnis gestaltet sich in den verschiedenen buddhistischen Traditionen unterschiedlich, doch stimmen diese alle darin überein, dass missbräuchliches und schädliches Verhalten der buddhistischen Lehre und Praxis widerspricht und keinesfalls damit gerechtfertigt werden kann, wie Sogyal Rinpoche es seinen Schülerinnen und Schülern gegenüber angeblich getan hat.
Aus der traditionsübergreifenden Perspektive der DBU wollen wir vor diesem Hintergrund eine Informationsschrift zu diesem Thema herausgeben, welche die Besonderheiten des Verhältnisses von buddhistischen Lehrern und Lehrerinnen zu ihren Schülerinnen und Schülern in den verschiedenen Traditionen darstellt und über bekannte Missverständnisse aufklärt.
Diese Informationsschrift soll die Informationsschrift „Heilsame und unheilsame Strukturen in Gruppen“ der DBU ergänzen, welche schon 2007 durch die DBU-Mitgliederversammlung verabschiedet und anschließend herausgegeben wurde und die immer noch uneingeschränkt gültig ist.
Auch im vorliegenden Fall bietet sie eine klare Orientierungshilfe.
Darüber hinaus beabsichtigen wir, die früheren Bemühungen der Arbeitsgemeinschaft Ethik der DBU zur Einrichtung eines Ethikrates und der Formulierung ethischer Richtlinien wieder aufzugreifen und fortzuführen.

Der Rat der DBU, August 2017

→ DBU Diskurs