In was für einer Welt wollen wir leben?
Dieser Frage müssen wir uns jetzt stellen, denn dieses ist ein außergewöhnlich geeigneter Moment dazu. Denn was niemand für möglich hielt ist eingetreten: Unsere mittlerweile weltweit nonstop-laufende und immer schneller agierende „Megamaschine“ der Konsumwirtschaft stand durch den Lockdown durch die Corona-Krise nahezu still. Und im Moment sind wir gerade wieder dabei, sie langsam anzufahren. Und wie bei einem großen Stein, der an einem abwärts geneigten Hang langsam ins Rollen kommt, lässt sich die Richtung rollender Energie bei langsamer Bewegung noch gut beeinflussen.
D.h., wir können jetzt unserer Welt eine neue Richtung geben, können z.B. alle wirtschaftliche Handlungen und die damit verbundenen Errungenschaften, die wir jetzt nach dem Lockdown wieder aktivieren bzw. nutzen wollen, hinsichtlich ihrer nachhaltigen, sozialen und umweltgerechten (deutlicher: mitweltgerechten) Auswirkungen wie auf einem Prüfstand begutachten und dann erst freigeben. Was diesen Kriterien nicht standhält, muss mittel- bis kurzfristig gestoppt bzw. abgebaut werden.
Die damit verbundene Erhaltung der Arbeitsplätze war bis Corona ein „Totschlag-Argument“, dem sich niemand aus Angst zu widersetzen traute. Die Angst vor dem Tod (durch Corona) war zu unserem Glück stärker, so dass wir jetzt auf Grund der aktuellen Erfahrungen ein für alle Mal sagen können: „Es geht nicht“ heißt „Ich will nicht“.
Natürlich wird der (auch für unseren Planeten) lebensnotwendige Anspruch auf nachhaltiges, soziales und mitweltgerechtes Wirtschaften „Arbeitsplätze“ kosten. Um dies lösen zu können gibt es mittlerweile viele realistische Ansätze (Bedingungsloses Grundeinkommen, Selbstversorgung, Tauschhandel, Reparatur von Bestehendem, eine Kultur der Genügsamkeit, etc.), ohne auf relevante Lebensqualitäten verzichten zu müssen.
Über ein notwendiges nachhaltiges, soziales und mitweltgerechtes Wirtschaften brauchen wir auf einem endlichen Planeten nicht diskutieren, dieses kleine Einmaleins versteht jedes Kind (zudem haben die Wissenschaftler weltweit dies jetzt auch ausreichend erkannt und bestätigt 🙂
Lasst uns also jetzt gemeinsam ein „neues Feld beackern“ 🙂
Viele Menschen haben während des Lockdown, wenn sie nicht gerade selbst durch Corona betroffen oder in systemrelevanten Tätigkeiten bis zur Belastungsgrenze gefordert waren, auch eine vielleicht für sie unbekannte innere Ruhe, eine innere Stille, erfahren können.
Aus welcher sie vielleicht auch den Irrsinn unseres immer schneller drehenden „Hamsterrades“ spüren konnten? Menschen, die sich den fatalen Auswirkungen unseres gesellschaftlichen (Zeit-) Drucks bewusst wurden: Warum packen wir eigentlich immer mehr Tätigkeiten in unsere Jobs, in unseren Tagesablauf, warum arbeiten wir an immer schnelleren und effizienteren Methoden, um noch mehr „erledigen“ zu können? Durch den Blick auf das, was noch erledigt werden soll, erledigt werden muss, verlieren wir den eigentlichen und einzigen Moment im Leben, der uns wirklich zur Verfügung steht:
Das Hier und Jetzt.
Warum Leben wir? Was ist der Sinn des Lebens? Um über ein „Apple iPhone XS Max Smartphone iOS 256 GB in Space Grau“ zu verfügen, um Probleme technisch zu lösen statt ihre Ursachen zu beseitigen?
In was für einer Welt wollen wir leben?
Wer sein Herz fragt, bekommt sicher eine Antwort, wenn vielleicht auch zuerst noch diffus. Und viele Antworten werden vielleicht auch ähnlich sein, wenn man sie im Licht der „9 Grundbedürfnisse des Menschen“ nach Marschall Rosenberg (Gewaltfreie/Wertschätzende Kommunikation) betrachtet: Wohlbefinden, Sicherheit, Liebe, Empathie, Kreativität, Geborgenheit, Spiel und Erholung, Autonomie, Sinn/Aufgabe.
„Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich“ schreibt auch Charles Eisenstein. Sicher werden viele der Wünsche mit materiellen Dingen verbunden sein. Aber wenn wir etwas tiefer auf diese Dinge schauen, werden wir vielleicht auch ein dahinter liegendes Bedürfnis erkennen. Denn, um noch einmal Marschall Rosenberg zu erwähnen, hinter den Handlungen des Menschen liegt die versuchte Umsetzung einer Strategie, um letztendlich einem (Grund-)Bedürfnis nachkommen zu können.
„Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich“.
Im Prinzip leben wir bereits in dieser Welt, denn es gibt nur die Eine. Wir dürfen nur unsere eigene Einstellung zu unseren Mitmenschen nicht außer Acht lassen, die Kraft unserer eigenen Gedanken erkennen. Ein einziges Wort reicht, an welchem unser ganzes Dilemma der eigenen Wertung unserer Empfindungen sofort deutlich wird: Neid. Oder: Eifersucht. Oder: Scham. Oder: Hass. Ich möchte damit sagen, dass selbst wenn es die perfekte heile Welt schon gäbe, die meisten Menschen sie aller Wahrscheinlichkeit nach (noch) gar nicht so sehen und genießen könnten wie er/sie es gerne täte.
„In was für einer Welt wollen wir leben?“ – „Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich.“
Beide Sätze erzeugen einen Blick in die Zukunft. Um sie mit diesen inneren Bildern Wirklichkeit werden zu lassen, können wir im Kern zwei Handlungsstränge verfolgen:
- Einer gesellschaftlichen Entwicklung (hier hat sich in unserer Demokratie gerade jetzt zu Corona-Zeiten eine enorme politische Gestaltungsfähigkeit gezeigt)
- Einer persönliche Entwicklung (oder besser: Einer Freilegung der menschlichen Natur)
Beide Handlungsstränge bestärken sich gegenseitig.
In was für einer Welt wollen wir leben?
Es wird immer wieder nach Erzählungen, nach Bildern dazu gefragt. Diese Narrative können meines Erachtens aber immer nur zunächst Teile dessen sein, was dann auch Wirklichkeit wird. Denn keiner von uns kann in die ganze Zukunft sehen. Eine Einflussnahme auf das Weltgeschehen wie Corona es bewirkt hat, hatten sich wahrscheinlich im Jahr 2019 auch nur sehr wenige Menschen vorstellen können. Das heißt, dass wir uns nur Schritt für Schritt nach vorne bewegen können, denn nach jedem Schritt kann sich eine neue Weggabelung auftun, die vorher noch nicht sichtbar war.
Aber wir gehen ab jetzt hoffentlich verstärkt gemeinsam, so wie es die Corona-Krise bereits schon eingeleitet hat. Geführt durch unser Herz und Hoffnung durch gemeinsames Handeln: nachhaltig, sozial, mitweltgerecht, mitfühlend, solidarisch, selbst organisierend, gerecht, freiheitlich, basisdemokratisch, gewaltfrei, austauschend, zugewandt, ausgleichend, verantwortungsvoll, offen und wertschätzend.
Klaus Pons, 18. Juni 2020