Texte von buddhistischen Lehrerinnen und Lehrern zur Corona-Krise

RESPONDING TO COVID-19 WITH AWARENESS + WISDOM
Interview mit Sayadaw U Tejaniya von Doug McGill, übersetzt von Ma Thet. Ins Deutsche übersetzt von Petra Kühl.
Link zum Interview in englischer Sprache
Frage: Wie gehen Sie persönlich mit Angst oder Furcht um?
Antwort: Es ist nicht so, dass ich keine Angst oder Furcht hätte, aber ich habe das Verständnis, dass dies nur das ist, was im Kopf passiert. Ich kann nicht verhindern, dass der Verstand Angst oder Furcht hat. Sie werden entstehen. Aber meine Ansicht ist: „Das ist für den Verstand in dieser Situation ganz natürlich“. Das Schlimmste, was Sie tun können, ist zu denken: „Wie kann ich das loswerden? Denn der Wunsch, dass nie etwas Schlimmes passiert, ist genau das, was die schlimmsten Befürchtungen aufkommen lässt. Der Verstand, der keinen Kummer und kein Leid will, erzeugt die meisten Ängste.“
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Was hilft mir und anderen in Zeiten der Corona-Krise?
Sylvia Wetzel. Buddhistische Lehrerin.
Geboren 1949, Studium des Buddhismus seit 1977, lehrt seit 1986.

Drei Gruppen von Lehren scheinen für mich und andere im Umgang mit schwierigen Zeiten sehr hilfreich zu sein: Freude, Beziehungen und Sinn. In der Traumatherapie werden sie als die drei Hauptressourcen für den Umgang mit schwerem Leiden betrachtet.
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Wir sind nicht hilflos: Älter sein im Zeitalter von Corona
Von Dr. Linda Lehrhaupt ©
Dr. Linda Lehrhaupt ist Gründerin und Leiterin des „Instituts für Achtsamkeit“ und selbst 70 Jahre alt. Sie gehört somit zu der Gruppe, von der sie schreibt, dass über sie derzeit implizit kommuniziert wird, „dass es vor allem diese Generation ist, die für all die Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen verantwortlich ist.„
Sie möchte alle älteren Menschen dazu ermutigen, auf ihr gewachsenes intuitive Wissen zu vertrauen und sich keine Angst einreden zu lassen.
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Praxis in Zeiten der Virusepidemie
Dharma-Talk von Chan-Meister Wei Chueh aus dem Jahr 2003, dem Jahr der SARS-Epidemie
Die ganze Welt befindet sich derzeit in Panik vor der SARS Epidemie. Viele Patienten mit SARS erholen sich nach einer Zeit des Unwohlseins und der Quarantäne wieder, aber in schweren Fällen erliegen auch einige der Krankheit. Was können wir tun, um sicher durch diese Krisenzeit hindurch zu kommen? Das ist eine Frage, der wir mit Dringlichkeit auf den Grund gehen sollten.
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In den Zeiten von Corona
Ein Beitrag von Rev. Kyoku B. Lutz, Zen-Lehrerin am Frühlingsmond-Zendo in Hannover.
Beim Lesen und Hören der Beiträge auf der Website der DBU erfahre ich das lebendige Wirken der Vier Bodhisattva-Gelübde:
Es gibt zahllose Wesen, ich gelobe, sie zu retten.
Verblendungen sind unerschöpflich, ich gelobe, ihnen ein Ende zu setzen.
Es gibt zahllose Dharmas, ich gelobe, sie zu meistern.
Der Buddha-Weg ist unübertrefflich, ich gelobe, ihn zu verwirklichen.
Vielleicht sollte ich an dieser Stelle anmerken, dass ich als Dharma-Nachfolgerin von Hoko Karnegis, Sanshinji, U.S.A., eine Lehrerin in der Soto Zen-Tradition Sawaki/Uchiyama/Okumura Roshi bin. Ich bin von Herzen froh, mit allen Traditionen, die der Lehre Buddhas folgen und allen Traditionen, die tiefsten Frieden praktizieren, innig verbunden zu sein. So kann ich mich den bislang schon veröffentlichten Beiträgen nur schlichtweg traditionsübergreifend anschließen. Und es gibt Gedanken, die ich gerne teilen möchte.
Wir stecken in der Corona-Krise, was aus vielen verschiedenen Gründen unleugbar eine Herausforderung historischen Ausmaßes für den gesamten Globus darstellt. Wir stecken in dieser Krise, aber auch wenn sie noch länger anhält, müssen wir nicht in ihr feststecken!
Da wir alle als potentielle oder tatsächliche Wirte des Corona-Virus diese aktuelle Krise faktisch zusammen sind, wird uns derzeit einmal mehr deutlich vor Augen geführt, welche Bedeutung die Art und Weise unser aller Lebensführung besitzt. Und zwar ohne ein Verschieben von Konsequenzen auf einen späteren Zeitpunkt. Egal wo wir gerade sind und auch egal, was wir gerade tun: Wir sind dazu aufgerufen, unser alltägliches Verhalten zum Wohl und Schutz aller Menschen/Wesen und Kreisläufe dieser Welt zu überdenken und neu zu justieren. Für jede und jeden nachvollziehbar: Ein Virus interessiert sich nicht für Landesgrenzen oder Absichten: das Partikelchen will sich einfach nur vermehren. So ist auch die kurzsichtige Strategie eines „Wie rette und versorge ich hauptsächlich mich und meine Familie, meine Gruppe, meine Stadt, mein Land“ und ähnliches Denken hauptsächlich eines: kurzsichtig… und auch erbarmungslos.
Die uns allen gemeinsame Corona-Krise ist das eine. Das andere ist, dass ich bereits mein gesamtes Leben lang erfahre, wie fest wir Menschen alle in unserem Irrdenken feststecken und dadurch – mit und ohne Absicht – größtes Unheil anrichten oder ignorieren: Weltkriege, Epidemien aller Art (global wie HIV/AIDS oder lokal in „weit entfernten“ Ländern (Malaria, Ebola, Gelbfieber, Lassa- und Dengue-Fieber, Tuberkulose, Cholera, Typhus etc.), Folter, Mißbrauch aller Wesen in allen Variationen, verschiedenste Abhängigkeiten/Süchte, Korruption, Pflegenotstand etc.: Die Aufzählung kennt keinen Anfang und kein Ende: So verstanden existiert „die Krise“ nicht wirklich erst seit „Corona“! Wir lebten und leben oft einfach nur mit geschlossenen Augen…
Und doch wiederum könnte die Corona-Krise von ihrer ganz speziellen Ausformung her, wie in anderen Beiträgen bereits angedacht, eine wahrhaft neue Chance darstellen. Die Durchdringung der Welt mit den ganz aktuellen Möglichkeiten des Internets hat es so bislang noch nicht gegeben. Bleibt die Frage, ob wir es in diesen Zeiten wirklich heilsam zu nützen wissen. Oder wird die aktuelle Online-Betriebsamkeit neben allem wirklich Hilfreichen überwiegend dazu beitragen, uns ein weiteres Mehr an mentalen Spielzeugen zwecks Zerstreuung und Zeitvertreib zur Verfügung zu stellen?! Digitale Techniken arbeiten darüberhinaus zwangsläufig mit Abstand: Wenn es schon in der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht nur so an Missverständnissen hagelt, weil wir das, was wir im Gespräch hören, durch unsere eigenen Wahrnehmungsfilter laufen lassen müssen, braucht man nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was per technischer Hilfsmittel passiert. „Die digitale Welt funktioniert analog zur analogen Welt. Sie ist nicht mit ihr identisch.“ (Bert Strebe)
Wie dem auch sei: Auf jeden Fall rege ich alle Menschen mit Hinweis auf die vielzähligen Online-Angebote buddhistischer Richtungen dazu an, über den eigenen Tellerrand buddhistischer Praxis hinauszuschauen: Welche Chance mit Hilfe der Netzwerke unsere „buddhistischen Nachbarn“ und ihre Art und Weise, den Dharma zum Wohle aller Wesen zu praktizieren und zu teilen, auf dem kurzen Weg kennenlernen zu können! Und einmal mehr feststellen zu dürfen, dass es zu allen Zeiten unzählige, tatkräftige Bodhisattvas jeglicher Couleur, bekannte wie auch namenlose, gab und gibt! Mir selbst haben in den zurückliegenden Jahren die Blicke über „niedrige Gartenzäune“ und ein Hin und Her durch Lücken in „runtergeschnittenen Hecken“ ungeahnte Begegnungen eröffnet, für die ich auf ewig dankbar sein werde! In diesem Sinne empfinde ich heute „unseren“ Praxisplatz in „unserer“ Stadt wie eine Vogeltränke, die einfach da ist und klares Wasser bereitstellt, egal welche und wieviele Vögel da kommen und gehen oder bleiben: Sowieso ist die ganze Welt unser Kloster und das Universum unsere Sangha: LEBEN ist universell und unteilbar. Warum also nicht in Zeiten von Corona die Augen öffnen und dieses LEBEN so leben, als wären wir schon wirklich lebendig!?
In tiefer Verbundenheit, Kyoku, Frühlingsmond Zendo Hannover

Corona und wie wir der Pandemie begegnen könnten
Ein Beitrag von Ayya Agganyani
Corona, der „gekrönte“ Virus, ist er nicht ein Götterbote mit Bodhisattva-Krone? Zeigt er uns nicht ganz ehrlich und unverblümt unsere Ohnmacht und all das Leiden im Samsara? Krankheit, Tod, Angst und Sorgen? Vielleicht denken jetzt doch einige Menschen über das wirklich Wesentliche nach. Vielleicht erinnert man sich an spirituelle Praxis – und übt sie sogar aus. Das ist es ja, was ein Götterbote erreichen möchte.
Ich möchte anregen in dieser schwierigen Zeit die „göttlichen Verweilzustände“ (brahmavihāras) zu praktizieren:
Liebe (mettā), Mitgefühl (karuṇā) und Verständnis mit den Erkrankten, Leidenden, Trauernden, Verängstigten, Verunsicherten, Isolierten, Gelangweilten, Leichtsinnigen, ungläubigen Draufgängern, Kritikern und Kritisierten, den Ärzten, Sanitätern, dem Kranken- und Pflegepersonal, alle den Menschen, die weiterhin arbeiten um der Gemeinschaft zu dienen… auch den notleidenden, ausgesetzten, vernachlässigten, getöteten Haus- und Nutztieren… – Es gibt so viel Leid in dieser Zeit.
Aber wenn wir genau hinschauen, sehen oder hören wir auch von Glück und Erfolg, z.B. derjenigen, die COVID-19 überstanden haben und genesen sind – und hier haben wir die wunderbare Möglichkeit Mitfreude (muditā) zu praktizieren, genauso wie mit all den Menschen, die in dieser Situation selbstlos und furchtlos Gutes tun, Verantwortung übernehmen und helfen.
Sollte COVID-19 trotz aller Vorsichtsmaßnahmen bei uns selbst ausbrechen, so lasst uns versuchen, unserer Situation mit unerschütterlichem Gleichmut (upekkhā) und Ruhe zu begegnen. Nehmen wir unseren kranken, fiebrigen Körper, Husten und Atembeschwerden achtsam wahr, beachten und beobachten wir auch unseren Geisteszustand und unsere Emotionen und akzeptieren sie. Werden wir uns unseres und des ganzen Leidens im Saṃsāra bewusst, lassen wir von unserem Ego los und von dem Wahn, alles kontrollieren zu wollen, allzeit gesund, mächtig und glücklich sein zu können oder gar zu müssen. Versuchen wir mit Corona in Frieden zu sein.
Gleichmut bedeutet auch Unparteilichkeit. Bitte, lasst uns einander helfen, ohne Vorlieben, Zu- und Abneigungen. Jede, jeder, jedes ist es wert. Helfen und unterstützen wir einander, selbstlos, getragen von Mitgefühl und Weisheit, in ganz praktischen Dingen (Einkaufshilfe, Erledigungen, Gassigehen mit Hunden Betroffener u.v.m.), aber auch mit dem Angebot an spirituellem Rat und Trost sowie der Aufnahme in unsere Dhamma-Praxis. So könnten wir z.B. für sie atmen (symbolisch, geistig), inneren Frieden entwickeln und ihnen schicken, für sie chanten (oder beten, wer mag), unsere Verdienste mit ihnen teilen, spirituelle Telefon- oder Email-Betreuung anbieten. Nicht „könnten“ – lasst es uns tun!
Wir brauchen Kreativität, Weisheit, Mut, Gleichmut – und nicht Gleichgültigkeit und Ignoranz. Wir brauchen Verantwortungsbewusstsein – nicht Egoismus. Wenn uns Corona das lehrt, war dieser Virus die Krone wert.
„Sich selbst schützend, schützt man die anderen. Andere schützend, schützt man sich selbst.“
(Quintessenz aus dem Sedaka-Sutta, SN 47.19)

Meditation der liebevollen Güte in dieser ungewissen Zeit
Von Uschi Stehmann
Möge ich glücklich sein.
Möge ich wirklich glücklich sein.
Möge ich gesund und sicher sein.
Möge ich mich und andere schützen.
Möge ich innerlich klar sein und frei von Angst.
Möge ich weise handeln und andere unterstützen.
Möge ich in Frieden und Harmonie leben.
Mögen alle Menschen glücklich sein.
Mögen wir wirklich glücklich sein.
Mögen wir gesund und sicher sein.
Mögen wir uns selbst und andere schützen.
Mögen wir innerlich klar sein und frei von Angst.
Mögen wir weise handeln und andere unterstützen.
Mögen wir in Frieden und Harmonie leben.