Hinrichtung von vier Demokratieaktivisten in Myanmar

1. August 2022 | _Alle | Aktuell

Die Militärbehörden in Myanmar haben seit mehr als dreißig Jahren zum ersten Mal wieder Todesurteile vollstreckt. Diese Meldung löste in der vergangenen Woche weltweit Empörung aus. Experten befürchten nun, dass weitere Hinrichtungen stattfinden werden, es sollen mehr als hundert politische Gefangene in Myanmar zum Tod verurteilt worden sein. Die ASEAN Außenminister treffen sich am kommenden Mittwoch und werden wohl auf ein härteres Vorgehen gegen Myanmar drängen. +++ INEB, das internationale Netzwerk engagierter Buddhist:innen ruft zu Solidarität und dem Schutz von Leben auf +++ Die Junta verlängert den Ausnahmezustand wiederum um ein weiteres halbes Jahr.

@ Helping Hands for Burma

Die vier Hingerichteten sind der ehemalige Hiphop-Star, spätere Politiker und Rechtsanwalt Phyo Zeya Thaw und der Schriftsteller und Studentenführer Ko Jimmy. Beides Aktivisten und prominente Führer der Demokratie-Bewegung. Die beiden anderen, Hla Myo Aung and Aung Thura Zaw, wurden beschuldigt, einen angeblichen Informanten der Militärjunta umgebracht zu haben.

In einem Bericht Amnesty Internationals vom 25. Juli kommentiert Erwin van der Borght, Amnesties Asien-Regionaldirektor: „Diese Hinrichtungen beenden willkürlich das Leben von Menschen und sind ein weiteres Beispiel für die grausame Menschenrechtsbilanz Myanmars. Die vier Männer wurden von einem Militärgericht unter Geheimhaltung und in äußerst unfairen Prozessen zum Tode verurteilt. Die internationale Gemeinschaft muss sofort handeln, denn es sollen sich mehr als 100 Menschen in der Todeszelle befinden, die in ähnlichen Verfahren schuldig gesprochen wurden.“

Zusätzlich erschwerend waren die Umstände der Hinrichtungen, die wahrscheinlich am 23. Juli stattfanden. Weder die Verurteilten selbst noch ihre Familien wussten im Voraus Bescheid. Die Familien erfuhren aus den vom Militär kontrollierten Medien von den Hinrichtungen und es wurde ihnen auch nachträglich nicht der genaue Zeitpunkt der Vollstreckung mitgeteilt – der ist für buddhistische Trauerzeremonien relevant. Sie durften die Körper ihrer getöteten Angehörigen nicht sehen und bekamen sie auch nicht für eine Bestattungszeremonie ausgehändigt, wie die Zeitschrift Myanmar Now am 26. Juli berichtete. Die Militärbehörden begründeten dies mit der Angst vor Aufruhr.

Empörte Reaktionen kamen nicht nur aus demokratischen Ländern und von Menschenrechtsorganisationen. Der UN-Sicherheitsrat veröffentlichte eine Stellungnahme, die von allen 15 Mitgliedern – einschließlich Russland und China – unterzeichnet wurde. In der Erklärung verurteilten die Mitglieder die Tötungen und wiederholten frühere Aufrufe zur sofortigen Freilassung aller willkürlich inhaftierten Gefangenen. UN-Sonderbotschafterin Noeleen Heyzer nannte die Hinrichtungen „eine eklatante Verletzung des Rechts auf Leben, Freiheit und Sicherheit einer Person“. So ist es in einem Newsletter von Frontier Fridays zusammengefasst.

Von Interesse ist auch die Reaktion des Staatenbundes ASEAN, zu dem auch Myanmar gehört. In einer Erklärung heißt es, dass ASEAN die Hinrichtung von vier Oppositionsaktivisten verurteilt und sehr enttäuscht ist, das berichtete die Zeitschrift Irrawaddy. Offenbar hatte der kambodschanische Premierminister Hun Sen, der aktuell Vorsitzender des Staatenbundes ist, im Voraus an die Junta appelliert, die Hinrichtungen noch einmal zu überdenken. Die zehn ASEAN-Staaten, zu denen auch Myanmar zählt, hatten im April 2021 einen Fünf-Punkte-Plan verabschiedet, der unter anderem ein Ende der Gewalt und einen konstruktiven Dialog fordert. Mehrere der ASEAN-Mitglieder zeigten sich enttäuscht und äußerten, die Hinrichtungen seien ein „schwerer Rückschlag für die Bemühungen der ASEAN, eine friedliche Lösung zu ermöglichen“. Die indonesische Außenministerin Retno Marsudi wiederholte die Forderung ihres malaysischen Amtskollegen nach einer speziellen Diskussion über Myanmar auf dem ASEAN-Außenministertreffen am kommenden Mittwoch, 3. August. Es wird erwartet, dass sie auf ein härteres Vorgehen gegen Myanmar drängen werden. Myanmar wird an dem Treffen nicht teilnehmen, nachdem es abgelehnt hatte, einen nicht der Militärjunta angehörenden Vertreter zu senden.

„Wozu dienen Hinrichtungen, wenn ohnehin wahllos Frauen und Männer umgebracht werden – und niemand etwas unternimmt?“ fragt der Schweizer Tagesanzeiger in dem Beitrag „Morde mit Botschaft“ vom 26. Juli und kommentiert. „Die Junta versucht mit den gezielten Morden vor allem die Hoffnung der Burmesen zu zerstören. Bisher aber hat sie nur die Wut weiter angefacht, die zwar zunehmend verzweifelt ist, aber nicht weniger lodert, nur weil die Weltgemeinschaft die Gewalttaten kaum noch im Blick hat. Es bleibt nur, den Menschen in Burma zu wünschen, dass sie durchhalten und zu ihrem Recht kommen. Die westliche Wertegemeinschaft kann schon jetzt beginnen, sich zu schämen.“

Kirsten Schulte

LINKS

Amnesty International, 25. Juli 2022
https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/myanmar-erste-hinrichtungen-seit-mehr-als-30-jahren

Schweizer Tagesanzeiger, Morde mit Botschaft, 26. Juli 2022
https://www.tagesanzeiger.ch/morde-mit-botschaft-807433665633

Myanmar Now, 26. Juli.2022
https://www.myanmar-now.org/en/news/key-ally-of-myanmar-junta-leader-oversaw-executions-source

Frontier Fridays, Newsletter Überblick vom 29. Juli 2022
https://mailchi.mp/frontiermyanmar.net/junta-executes-political-prisoners-sxh83uqr5a?e=009ef26d8c

Irrawaddy zu ASEAN, 1. August 2022
https://www.irrawaddy.com/news/burma/asean-foreign-ministers-to-push-for-tougher-action-on-myanmar.html

Deutsche Welle – Ausnahmezustand verlängert, 1. August 2022
www.dw.com/de/militärjunta-in-myanmar-verlängert-ausnahmezustand/a-58720572

INEB – Internationales Netzwerk Engagierter Buddhistinnen und Buddhisten, 29. August 2022
Das Internationale Netzwerk Engagierter Buddhistinnen und Buddhisten (INEB) hat eine Erklärung veröffentlicht, in der es angesichts der eskalierenden Gewalt und des Blutvergießens nach dem Militärputsch, mit dem die Zivilregierung des Landes im Februar letzten Jahres gestürzt wurde, zu mitfühlender Zurückhaltung und Respekt vor der Unantastbarkeit des Lebens in Myanmar aufruft.

www.inebnetwork.org/statement-calling-for-solidarity-and-preserving-the-sanctity-of-life-in-myanmar, 29. Juli 2022

Deutsche Übersetzungdes Statements: https://buddhismus-aktuell.de/meldungen/engagierte-buddhistinnen-rufen-myanmar-zu-solidaritaet-und-schutz-des-lebens-auf.html

SPENDENMÖGLICHKEITEN

SONNE Notfallfonds für Myanmar:
https://www.sonne-international.org/de/myanmar-hilfe

Insight Myanmar, Spenden auch speziell für Mönche und Nonnen:
https://insightmyanmar.org/donation

Helping Hands, Myanmar:
https://www.helpinghandsmyanmar.org

SIEHE AUCH

BUDDHISMUS aktuell, 21.5.2022 – Gewalt und Unterdrückung nehmen zu:
https://buddhismus-aktuell.de/meldungen/myanmar-gewalt-und-unterdrueckung-nehmen-zu.html

BUDDHISMUS aktuell, 28.7.2022 – Prozess wegen Völkermord an Rohingya kann beginnen:
https://buddhismus-aktuell.de/meldungen/prozess-wegen-voelkermord-an-rohingya-kann-beginnen.html