Was bereits geschehen ist | Buddhistische Seelsorge Ausbildung der DBU

Veranstaltungen in Hamburg und Berlin, Dezember 2022

Deutschland wird immer multikultureller und multikonfessioneller – Seelsorge muss das auch werden! Buddhist Chaplaincy, buddhistische Seelsorge, findet in Deutschland bisher nur vereinzelt und auf ehrenamtlicher Basis statt. Weder gibt es eine zertifizierte Ausbildung noch zertifizierte buddhistische Seelsorger:innen.

„Wie könnten die ersten Schritte aussehen, buddhistische Seelsorge in Deutschland zu etablieren?“ und „Wo gibt es bereits buddhistische Seelsorge in Europa und den USA, wie ist sie dort strukturiert, welche gesetzlichen Grundlagen gibt es und welche Formen einer zertifizierten Ausbildung?“

Erstes Resultat dieser Überlegungen waren im Dezember 2022 zwei Veranstaltungen: der zweitägige, nicht öffentlichen Workshop „Buddhist and Interreligious Chaplaincy and Spiritual Care“ in Hamburg mit internationalen, in buddhistischer Seelsorge erfahrenen Sprecher:innen und ein öffentliches, eintägiges Seminar „Buddhistische Seelsorge, Einführung in Contemplative Care“ in Berlin. Mit Vorträgen, Meditationen, interaktiven Diskussionen und angeleiteten Kontemplation, sollte diese Seminar als Gegengewicht zum Hamburger Event, erfahrungsbezogen und offen für alle sein, die sich für buddhistische Seelsorge interessieren.

Expert:innenworkshop: Buddhistische und interreligiöse Seelsorge und Spiritual Care 

8. bis 9. Dezember 2022 in Hamburg

Zu diesem Workshop der Hamburger Universität waren Teilnehmerinnen und Teilnehmer der holländischen und der norwegischen buddhistischen Union, Professorinnen und Professoren für Buddhismus der Amsterdamer Universität und der Osloer theologischen Fakultät, buddhistische Seelsorgerinnen und Seelsorger aus Italien, England, den Niederlanden, ein islamischer Theologe und zwei christliche Pastoren eingeladen worden.

Am 8. und 9. Dezember 2022 trafen sich alle Teilnehmenden im St. Ansgar-Haus in Hamburg – wie schön, sich nach dem bereits seit Monaten erfolgten Austausch per E-Mail persönlich treffen zu können. Die Sprecher:innen und Veranstalter:innen waren vor Ort untergebracht, sodass ein lebhafter Austausch auch in den Pausen und abends stattfinden konnte.

Neben den 13 Sprecher:innen kamen 17 Teilnehmer:innen, darunter Student:innen, die Leiterin eines in der Nähe von Berlin und eine DBU-Rätin. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde am Donnerstagmorgen ging es in medias res. Die am Workshop Teilnehmenden berichteten über die Situation der buddhistischen Seelsorge in ihren jeweiligen Ländern:

  • Wie viele buddhistische Seelsorger:innen gibt es – ehrenamtlich und in Vollzeit angestellt?
  • In welchen Bereichen der Seelsorge arbeiten sie?
  • Von welchen Institutionen und Organisationen werden sie unterstützt?
  • Wer finanziert und zertifiziert die Ausbildung?

Nach einem Mittagessen vor Ort ging es um die national unterschiedlichen Trainingsprogramme, sofern sie bereits existieren:

  • Wer bietet Trainings- und Studienprogramme an?
  • Wie sind die Curricula strukturiert:
    • Sind die philosophischen und theologischen Studien und die klinische Seelsorgeausbildung getrennt?
    • Sind Praktika und verpflichtend?
    • Welche Voraussetzungen gibt es?
    • Supervision während und nach dem Training?

Zu diesen Themen sprachen Pastor Helmut Weiß, der Präsident der Gesellschaft für Interkulturelle Seelsorge und Beratung Deutschland  (SIPCC: Society for Intercultural Pastoral Care and Counselling), Mary Remington, buddhistische Seelsorgerin und Direktorin des buddhistischen Seelsorge-Trainingsprogrammes am Upaya Zen Center in Santa Fe, New Mexico, USA, Professor Bee Scherer, Rektor des buddhistischen Seminares an der Vrije Universitat Amsterdam und Professorin Anne Hege Grung von der Theologischen Fakultät Oslo, Norwegen. Den Vorträgen folgte jeweils ein Austausch mit Fragen und Feedbacks der Teilnehmenden, der beim Abendessen fortgesetzt wurde.

Am zweiten Tag wurden zukunftsorientiert Fragen der interreligiösen und interkulturellen Zusammenarbeit, deren Vorzüge und Nachteile erörtert:

  • Möglichkeiten und Grenzen der traditionellen Seelsorge, Spiritual Care
  • Fürsorge für Buddhist:innen und nicht Buddhist:innen aus der buddhistischen Perspektive
  • Möglichkeiten und Herausforderungen der muslimischen Seelsorge

Es folgte ein Austausch über buddhistische Seelsorge und Spiritual Care im Kontext interreligiöse Seelsorge und der entscheidenden Frage: Wie kann eine Entwicklungsstrategie von buddhistischer Seelsorge in Deutschland aussehen, welche internationale Zusammenarbeit ist erwünscht?

Der Austausch war inspirierend, lebendig und interessant und die Zeit viel zu kurz, um Antworten auf alle Fragen zu finden. Eins jedoch wurde klar: die Situation der buddhistischen Seelsorge in einem Land ist aufgrund der jeweiligen nationalen gesetzlichen Bestimmungen nicht einfach auf andere Länder zu übertragen. Dennoch herrschte Konsens darüber, dass der Austausch weitergehen soll und es nicht nur aus der Sicht von Buddhistinnen und Buddhisten wichtig ist, buddhistische Seelsorge in Deutschland zu etablieren. Dafür wurde von christlicher Seite bereits Unterstützung angeboten. So ist schon viel in Bewegung gekommen.

Es  kristallisierte sich heraus, dass eine buddhistische Seelsorge-Ausbildung drei Pfeiler benötigt:

  • fundiertes Wissen der buddhistischen Philosophie,
  • erfahrungsbezogenes Lernen darüber, dass die wichtigsten buddhistischen Grundsätze gleichzeitig Leitlinien für die kontemplative Fürsorge sind und
  • eine klinischen Seelsorgeausbildung, die auch interkonfessionell sein könnte.

Regina Weilhart

Tagesseminar: „Buddhistische Seelsorge, eine Einführung in Contemplative Care“, Berlin, 11. Dezember 2022

Dieses öffentliche Seminar mit Mary Remington fand am 11. Dezember 2022  im Dharma Mati, in Berlin statt per Zoom statt. Es stieß mit fast 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, zum Teil aus dem Ausland, auf reges Interesse. Es wurde vom Englischen simultan ins Deutsche übersetzt.

Mary Remington ist buddhistische Seelsorgerin und Direktorin des Buddhist Chaplaincy Trainingprogrammes am Upaya Zen Center in Santa Fe, New Mexico, USA, das von Joan Halifax geleitet wird. Sie hat langjährige Erfahrung in der kontemplativen Praxis im Rahmen spiritueller Betreuung im medizinischen Umfeld. In ihrer eigenen Tätigkeit als Seelsorgerin unterstützt sie heute zum großen Teil Menschen mit Suchtproblemen, Behinderungen und am Lebensende. 

Mary Remington beschränkte ihren Vortrag nicht auf Erklärungen, sondern teilte ihre eigenen Erfahrungen – unter anderem hat sie hat Hunderte sterbende Coronainfizierte in einem New Yorker Krankenhaus begleitet – und leitete gemeinsame Kontemplation, Meditationen und Kleingruppenarbeit an. So vermittelte sie anschaulich, welche Aspekte in der buddhistischen Seelsorge und kontemplativen Fürsorge wichtig sind. Allem voran steht unsere eigenen Meditationspraxis:

..dies bringt uns in die Praxis der Meditation. Wir üben, Achtsamkeit aufzubauen, die uns die Fähigkeit gibt, unsere eigenen Gefühle von Gier, Wut und Täuschung klar zu sehen, aber nicht von ihnen ergriffen zu werden. Und wenn wir unser eigenes Zerbrochensein sehen, lernen wir, wie wir dieses Zerbrochensein im hellen Licht des Bewusstseins halten können. Durch das Licht des Bewusstseins sind wir befreit, nicht aus unseren Wahnvorstellungen heraus zu handeln. Unser Bewusstsein ist unser Tor zur Transformation von Leiden, unserem eigenen sowie dem der Anderen”.

Als Fürsorgende haben wir eine ethische Verantwortung, unseren eigenen Geist wirklich zu kennen. Und all das erfordert eine tiefe, eigene Investigation und Bescheidenheit – das alleine zu tun, ist unmöglich. Wir brauchen einander, um uns selbst zu sehen. Wir brauchen unsere Lehrer, unsere Führer, unsere spirituellen Freunde, wir brauchen unsere Gesundheit, unsere eigene Verpflichtung, durchzuhalten. Diese Praxis der Liebe und des Dienens ist eine, die zutiefst relational ist.“  

Mary Remington zeigte unter anderem, wie buddhistische Grundgedanken, zum Beispiel die Wahrheit von gegenseitiger Abhängigkeit und Vergänglichkeit, zu Leitfäden kontemplativer Fürsorge werden:

Wenn der Buddhismus eine Tür ist, die es uns ermöglicht, zu der Wahrheit zu erwachen, dass wir alle miteinander verbunden und vergänglich sind, wenn Seelsorge eine Handlung des Dienstes ist, um dem Leiden zu begegnen und die Heiligkeit allen Lebens aufrechtzuerhalten … sind wir hier, um diese beiden Elemente zum wichtigsten Zeitpunkt zusammenzubringen. Den einzigen Zeitpunkt den es gibt … jetzt.“

Und immer wieder ein ganz zentraler Satz der buddhistischen Seelsorge:

„…und denken wir daran, wir sind nicht hier, um die Welt zu reparieren, es gibt keine Robin Hood-Umhänge, die hier verteilt werden. Dem Ruf zu folgen, Leiden zu lindern, ist kein Vorgang des Eroberns oder des Gewinnens von etwas. Es geht darum, die Fähigkeit zu entwickeln, mit dem zu sein was gerade hier ist. Weiterführende Seminare mit Mary Remington und zu buddhistischer Seelsorge sollten folgen.

Regina Weilhart

5-monatiger Grundlagenkurs in „Contemplative Care- Buddhistische Seelsorge“ mit Mary Remington

Mit diesem 5-monatigen Grundlagenkurs führte Mary Remington an Hand der buddhistischen Grundsätze tiefer in die buddhistische Seelsorge ein: Dieser Kurs startete mit einem Einführungsprogramm vom 30.11. – 3.12.23 vor Ort in Berlin und wurde ab Januar 2024 über fünf Monate mit einem monatlichem Online-Treffen fortgesetzt.

Mehr Informationen: https://buddhismus-deutschland.de/einfuehrung-in-die-buddhistische-seelsorge-mit-mary-remington/

© Regina Weilhart

LINKS

Workshop: Buddhist and Interreligious Chaplaincy and Spiritual Care  (Das PDF ist leider nicht mehr in abrufbar und wird hier in Kürze hochgeladen.)
https://www.awr.uni-hamburg.de/ueber-awr/aktuelle-meldungen/2022-8-1012buddhist-and-interreligious-chaplaincy-and-spiritual-care-poster.pdf

Tagesveranstaltung: Buddhistische Seelsorge, eine Einführung in Contemplative Care
https://buddhismus-deutschland.de/buddhistische-seelsorge-mit-mary-remington/

BUDDHISMUS aktuell 3/2021: WARUM … wir in Deutschland eine buddhistische Seelsorge brauchenbuddhismus-aktuell.de/?artikel=warum-wir-in-deutschland-eine-buddhistische-seelsorge-brauchen

Radiobeiträge, die das Thema aufgegriffen haben 

Wieviel ist buddhistische Seelsorge wert?
Radiobeitrag von Mechthild Klein im Deutschlandfunk, Sendung „Tag für Tag“ am 14. Dezember 2022. Mit Carola Roloff, Gastprofessorin an der Akademie der Weltreligionen in Hamburg. 
https://www.deutschlandfunk.de/wie-viel-ist-buddhistische-seelsorge-wert-dlf-cceaa7f8-100.html

Buddhistische Seelsorge 
Radiobeitrag von Peter Kaiser in der Sendung „Diesseits von Eden“ im WDR5 am 08. Januar 2023. Mit Regina Weilhart, DBU-Rätin und Initiatorin der Veranstaltungen. (Der Beitrag ist leider nicht mehr in der Mediathek abrufbar, das Audio wird hier in Kürze hochgeladen.)
https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-diesseits-von-eden/audio-buddhistische-seelsorge-100.html