Ein paar Gedanken zu Spiritual Care und Contemplative Care von Ani Karma Tsültrim

18. Dezember 2024 | _Alle | Allgemein

Ani Karma Tsultrim ist Gründerin und spirituelle Leiterin des Zentrums Dharma-Tor. Das bietet unter anderem das Projekt „Leuchtender Lotus“ mit einer sechssemestrigen Schulung in Spiritual Care an. Spiritual Care bezeichnet dabei die spirituelle Begleitung im Pflegebereich. Dagegen wird im deutschen Sprachraum Contemplative Care mit buddhistischer Seelsorge übersetzt und umfasst alle seelsorgerischen Bereiche (siehe unten).

Beim letzten Spiritual Care-Tag haben wir uns weiter damit befasst, wie uns verschiedene Methoden aus der buddhistischen Praxis bei der Begleitung von Schwerkranken, Sterben und anderen Betroffenen, die Hilfe brauchen, stützen können.

Dabei wurde uns auch noch einmal der Unterschied zwischen „weltlichem Handeln“ und „erleuchteter Aktivität“ klar. Für Letzteres spielt die Kenntnis von Shunyata, der Leerheit, und der offenen Weite des Mahamudra-Gewahrseins eine bedeutende Rolle. Dieses Verständnis ist für die Begleitung von Betroffenen äußerst wichtig, damit unser Einsatz für sie ein Akt unbegrenzter Hinwendung wird, ohne dass wir uns dabei verlieren. Und genau das ist insbesondere Voraussetzung für Contemplative Care, das auf Deutsch mit „buddhistischer Seelsorge“ übersetzt wird, und als Vertiefung von Spiritual Care angesehen werden kann – eine Aktivität von buddhistischen Meistern, Dharma-Lehrenden, zum Teil auch Lehrenden an Universitäten mit entsprechender persönlicher Praxis-Erfahrung, und anderen erfahrenen Praktizierenden, die immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Die Herausforderungen einer solchen seelsorgerischen Begleitung können immens sein. Nur eine tief in uns verwurzelte Dharma-Praxis kann uns dabei stützen. Weiter brauchen wir eine religiöse bzw. spirituelle Offenheit allen Traditionen gegenüber, denn buddhistische Seelsorge beschränkt sich bei Weitem nicht auf Buddhistinnen und Buddhisten. Ihr Anwendungsbereich umfasst jeden Menschen, der seelsorgerische Unterstützung benötigt. Dafür müssen wir so flexibel sein, dass wir alle Betroffenen auf dem inneren Weg begleiten können.

Dafür ist ein grundlegendes Wissen über andere Religionen notwendig und die Fähigkeit, aus unserer eigenen Praxiserfahrung heraus die Person, die gerade vor uns ist, auf ihrem ganz persönlichen inneren Weg so zu unterstützen, dass sie dadurch Halt und Zuversicht findet. Dabei hilft uns vor allem die Dharma-Mystik, durch die wir die Traditionen transzendieren und uns von Begriffen, Dogmen und Philosophien zu lösen lernen.

Dass es genau darauf ankommt, zeigen die tief berührenden Fallgeschichten in dem Buch „Contemplative Care – Wegbereiter der buddhistischen Seelsorge in den USA“. Dieses Buch wird bei uns im Westen als zukünftiges Lehrbuch für diese noch relativ neue Disziplin angesehen. Dabei ist es kein Lehrbuch im klassischen Verständnis, sondern es lehrt über Fallbeispiele, die uns erschüttern können. Gerade das aber kann uns in unserer eigenen Dharma-Praxis und dem Verständnis, das zur inneren Erfahrung führt, noch einmal einen wertvollen Antrieb geben. So jedenfalls geht es mir, wenn ich in diesem wunderbaren Buch lese. Seine Kapitel zeigen angewandte Dharma-Praxis, religiöse Stütze, Mystik und vollkommene Hinwendung, Offenheit und grenzenlose Liebe pur.

Hinweisen möchte ich noch auf das Kapitel „Mögest du immer ein Schüler sein“ von Danny Fisher (S. 201). Als Grundlage für seinen Text hat der Autor das Gedicht von Ringu Tulku Rinpoche „Es ist ein Vergnügen, ein Schüler zu sein“, gewählt. Anhand der Verse legt er Schritt für Schritt seine Aufgabe als Universitätsseelsorger auf spannende Weise dar. 

Ani Karma Tsultrim
Dharma-Tor Zentrum

Literatur:
Cheryl A. Giles und Willa B. Miller (Hg.): „Contemplative Care – Wegbereiter der buddhistischen Seelsorge in den USA“, Edition 1000 Hände – Books on Demand 2023