„Gehört der Buddhismus zu Deutschland?“ – Pagode in Berlin wird geduldet
15. Dezember 2022 | _Alle | Aktuell
Im taz-Talk „Gehört der Buddhismus zu Deutschland?“ war die verfassungsrechtliche Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften das übergreifende Thema. Um diese Gleichstellung nicht nur auf dem Papier zu erreichen, bedarf es Mut, Ausdauer und Öffentlichkeitsarbeit, wie im Falle der buddhistischen Pho-Da-Gemeinde in Berlin Lichtenberg.
Über 120 Zuschauer:innen folgten der Diskussion „Gehört der Buddhismus zu Deutschland?“ am 2. Dezember 2022 in der taz Kantine Berlin oder per Liveübertragung auf YouTube. Zu Gast waren Max Müller vom Sonderforschungsbereich 1171 „Affective Societies“ der Freien Universität Berlin, Ha Hausmann von der Pho-Da-Gemeinde, der Staatssekretär für Europa bei der Senatsverwaltung für Kultur und Religion, Gerry Woop und der Baustadtrat von Berlin-Lichtenberg, Kevin Hönecke. Es moderierte die taz-Autorin Marina Mai.
Aufgrund der verfassungsrechtlichen Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften gehöre der Buddhismus selbstverständlich zu Deutschland, darin waren sich alle rasch einig. Eine Vertreterin der Deutschen Buddhistischen Union warf ein, dass sich die angestrebte Gleichstellung in der Realität aber oft ganz anders darstelle. So kämpfe die Deutsche Buddhistische Union zum Beispiel seit 38 Jahren erfolglos um den Status Körperschaft des öffentlichen Rechts. Diskriminierung entstünde in diesem Fall nicht durch Gesetze, sondern durch die Strukturen innerhalb der Behörden. Dass eine engagierte Öffentlichkeitsarbeit dabei helfen kann, diskriminierende Strukturen zu verändern, zeigt der Einsatz von Max Müller vom Sonderforschungsbereich 1171 „Affective Societies“ der Freien Universität Berlin: Die drohende Schließung der vietnamesisch-buddhistischen Pagode der Pho-Da-Gemeinde Berlin-Lichtenberg aufgrund ihrer Lage im Gewerbegebiet ist vorübergehend abgewandt. Die Pagode wird geduldet solange der Baustadtrat von Berlin-Lichtenberg, Kevin Hönecke, amtiert.
Leider löst die erwirkte Duldung der Pagode weder das Recht auf Gleichstellung der buddhistischen Pho-Da-Gemeinde im Einzelfall, noch das Recht auf Gleichstellung der gesamten Buddhist:innen in Deutschland. Buddhistische Einrichtungen genießen in Deutschland zum Beispiel kein Religionsprivileg im Baurecht, weil ihnen die staatliche Anerkennung fehlt. Dadurch greift bei buddhistischen Einrichtungen der Schutz von religiösen Bauten nicht, denn sie fallen laut Gerry Woop lediglich in die Kategorie Kulturelle Einrichtung. Die Fehlannahme, dass eine Kirchengemeinde am Standort der Pho-Da-Gemeinde geduldet würde, korrigierte Gerry Woop allerdings. Denn auch der Erhalt einer Kirche wäre an diesem Standort nicht möglich, weil kein Bebauungsplan vorliege.
Übergreifendes Thema des taz-Talks “Gehört der Buddhismus zu Deutschland?” blieb die verfassungsrechtliche Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften. Um die Gleichstellung nicht nur auf dem Papier zu haben, bedarf es Mut, Ausdauer und Öffentlichkeitsarbeit, wie im Falle der buddhistischen Pho-Da-Gemeinde in Berlin Lichtenberg. Öffentliche Gelder zur Erzielung stärkerer öffentlicher Wirkung der Religionsgemeinschaften gebe es laut Gerry Woop zwar. Voraussetzung für die Bewilligung solcher Gelder sei aber die interreligiöse Verbundenheit aller Religionsgemeinschaften in ihren öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten, denn einzelne Religionsgemeinschaften könne man nicht fördern. Ein Grund mehr, dem interreligiösen Dialog mehr Beachtung zu schenken. Wenn sich die Religionen in Verbundenheit für die Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften stark machen, beschleunigt dies vermutlich, dass unser Verfassungsrecht auch im behördlichen Alltag als höchstes normgebendes Gesetz verstanden wird.
Hanna Ebinger
Mehr Informationen: https://taz.de/Streit-um-Pagode-in-Berlin/!5893294
Kantinenveranstaltung auf YouTube: https://m.youtube.com/watch?v=v14sZDU5VvM