Der Gründer des Fo-Guang-Shan-Ordens und der führende Vertreter des humanistischen Buddhismus, Hsing Yun, ist im Alter von 96 Jahren gestorben

13. Februar 2023 | _Alle | Nachruf

— Der Fo-Guang-Shan-Tempel Berlin ist aktuell von 10 bis 17 Uhr für Beileidsbekundungen geöffnet —

Am Sonntagnachmittag, den 5. Februar, um 17 Uhr ist der buddhistische Mönch Hsing Yun, Gründer des taiwanischen buddhistischen Ordens Fo-Guang-Shan, in Kaohsiung verstorben. Hsing Yun war einer der wichtigsten Vertreter des humanistischen Buddhismus, einer zeitgenössischen Reformbewegung im Mahayana-Buddhismus der chinesischen Tradition.

2009 2. Weltbuddhismus Forum in Wuxi, VR China und Taipei, Taiwan. Abschlussfeier in Taipei

Hsing Yun wurde 1927 in China geboren. 1945 kam er während seines Studiums am buddhistischen Jiaoshan-Seminar mit dem Gedankengut des Reformmönchs Taixu in Kontakt. Taixu gilt als die Gründungsfigur des modernen chinesischen Buddhismus. Dieses Erlebnis war für Hsing Yun prägend. Bis zu seinem Tod setzte er sich dafür ein, den chinesischen Mahayana-Buddhismus zu reformieren und für zeitgenössische Menschen relevant zu machen. 

Nach dem Sieg der kommunistischen Partei und der Gründung der Volksrepublik China in 1949 floh Hsing Yun nach Taiwan. Hier gründete er im Jahr 1967 den Orden Fo-Guang-Shan. Zur Gründung postulierte er vier Bereiche, in denen sich der Orden engagieren soll und die für Fo-Guang-Shan bis heute relevant sind: Kultur, Bildung, Wohltätigkeit, und spirituelle Kultivierung. 

Hsing Yuns einnehmende Persönlichkeit, seine Offenheit für Kultur und neue Medien, und seine Vision den Buddhismus, der in chinesischen Gesellschaften oft mit Aberglauben und Beerdigungskultur assoziiert wurde, an das moderne Leben anzupassen, führten schnell zum Erfolg. In nur kurzer Zeit entwickelte sich Fo-Guang-Shan zu einer der populärsten, buddhistischen Organisationen in Taiwan und expandierte nur wenig später auch weltweit. 

Zentral hierfür waren globale Veränderungen seit den 1960er Jahren. Asiens wirtschaftliche Entwicklung und die Wiederöffnung von Ländern wie den USA für Migration aus nichtwestlichen Ländern, ermöglichten es einer jungen Generation hochgebildeter ethnischer Chinesen aus Taiwan, Hong Kong und Südostasien zum Studium ins Ausland zu gehen und sich dort später niederzulassen. 

Das Aufkommen dieser global ausgerichteten asiatischen Mittelschicht schuf die Voraussetzungen für die Entwicklung von Hsing Yuns weltweitem Tempelnetzwerk. Fo-Guang-Shan unterhält heute über 300 Tempel und Zentren weltweit, über die Hälfte davon liegen außerhalb Taiwans. Der Orden ist auf allen Kontinenten außer Antarktika aktiv. Das europäische Hauptquartier liegt in Paris, in Deutschland unterhält der Orden je einen Tempel in Berlin und Frankfurt am Main. 

Eines der Hauptmerkmale des humanistischen Buddhismus, sowohl von Fo-Guang-Shan als auch von anderen Vertretern der Reformbewegung, ist der Fokus auf gesellschaftliches Engagement. Der buddhistische Reformer auf den diese Bewegung zurückgeht, und der auch prägend für Thich Nanh Hanh und dessen sozial engagierten Buddhismus war, ist der Mönch Taixu. Taixu wurde im späten neunzehnten Jahrhundert geboren. Angesichts der gewaltigen gesellschaftlichen Umbrüche Chinas, die dem Aufeinandertreffen des Landes mit den europäischen Kolonialmächten folgten, setzte sich Taixu dafür ein, den Buddhismus aus der Abgeschiedenheit der Wälder und Bergen zu holen und in die Städte zu bringen. Der Buddhismus sollte sich zu einer fortschrittlichen Kraft entwickeln, die mit dazu beiträgt, China in einen modernen Staat zu transformieren. Besonders Engagement in den Bereichen Bildung und Wohlfahrt, aber auch eine Reform des monastischen Sanghas, waren die Mittel seiner Wahl. 

Taixu war ein global denkender Visionär, konnte seine Pläne aber aufgrund der historischen Umstände – die Kolonialisierungsbestrebungen der Europäer und Japaner und der Bürgerkrieg zwischen den chinesischen Nationalisten und Kommunisten – nicht verwirklichen. Er starb im Jahr 1947 und es war die nächste Generation humanistischer Buddhisten, die nach dem zweiten Weltkrieg in Taiwan begann, die Visionen des Reformers umzusetzen. 

Hsing Yun ist der wohl bekannteste Vertreter dieser Generation. Unterstützt von seinen buddhistischen Ordensbrüdern und -Schwestern sowie zahllosen Laienanhänger:innen weltweit, engagierte er sich in der Gesellschaft auf vielfältige Weise. Fo Guang Shan propagiert beispielsweise Vegetarismus und betätigt sich im Bereich Kultur. Der Orden leistet Beiträge zur Katastrophenhilfe und unterhält verschiedenste soziale- und Bildungseinrichtungen. Zum Beispiel unterhält der Orden fünf Universitäten weltweit, drei davon außerhalb von Taiwan. Auch im Bereich spiritueller Kultivierung sind die Angebote des Ordens vielfältig. Neben Meditation und der Rezitation kann man in Fo Guang Shan Tempeln Sutren kopieren, buddhistische Texte studieren oder, wie schon Generationen von Laienbuddhist:innen über Jahrhunderte zuvor, sich freiwillig engagieren. Wichtig ist hier allerdings, dass auch spirituelle Kultivierung als soziales Engagement verstanden wird, und nicht als etwas das man für sich alleine unternimmt. 

Hsing Yuns Ableben markiert das Ende einer Ära. Einer Ära, in der buddhistische Nonnen und Mönche, die die Turbulenzen des letzten Jahrhunderts persönlich erfahren haben und diesen Umbrüchen der Zeit zu begegnen versuchten, indem sie den Buddhismus in seiner Vielfältigkeit in die Moderne führten. Nun liegt es an der nächsten Generation, dieses Erbe, angepasst an das einundzwanzigste Jahrhundert, fortzuführen.  

Jens Reinike

Der Autor:

Jens Reinke is Professor für Religionswissenschaft an der University of the West in Los Angeles. Sein Buch „Mapping Modern Mahayana: Chinese Buddhism and Migration in the Age of Global Modernity“ befasst sich mit der globalen Verbreitung Fo-Guang-Shans. 

Jens Reinike stellt dem Ehrwürdigen Hsing Yun sein Forschungsprojekt vor, Dajue Temple in China, @ Jens Reinke 

Links:

Fo-Guang-Shan-Tempel Berlin:
fgs-tempel.de/de/home-2 – Eine Meldung auf der Website besagt, dass der Temple seine externen Aktivitäten einstellt und täglich von 10 bis 17 Uhr für Beileidsbekundngen geöffnet ist.
fgs-tempel.de/de/home-2/meister-hsing-yun – Eine Biografie des Meisters Hsing Yun

Ein Fotoalbum (privat, von Fritz Reg der den Großmeister gut kannte und über Jahre Bilder gesammelt hat)
www.cewe-myphotos.com/webapp/#/project/share/d5e9a9313b7647648aa180f2438cb9ff

Gedenkzeremonie für den Meister, 13. Februar 2023, auf chinesisch und englisch: www.youtube.com/live/-0_XIOJCj9Q?feature=share 

Merit Funds: www.merit-times.com/NewsPage.aspx?unid=829185

Buddhistdoor Global: Fo-Guang-Shan-founder and leading light of humanistic buddhist ven Hsing Yun dies aged 97

Ausführlicher Bericht über die Beerdigung des Ehrwürdigen Meisters Hsing Yun:
buddhistdoor.net/news/tens-of-thousands-gather-in-taiwan-for-the-funeral-of-fo-guang-shan-founder-ven-hsing-yun/